Wessen Wahrheit?
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Prawda
„Ich habe genug vom Krieg, man braucht ihn uns nicht ständig vor die Nase führen“, pflegte meine Oma zu sagen, wann immer ein Kriegsfilm übertragen wurde. „Schau dir das an, nichts als verbrecherische Zerstörung! Und in dieser Zeit ist deine Mutter auf die Welt gekommen. Das muß man sich vorstellen! Zum Glück ist es vorbei und es herrscht Frieden. Obwohl die Kommunisten uns alles, was noch übrig war, weggenommen haben, bleibt mir die Hoffnung, dass ihr davon profitieren könnt. Unsere Generation ist schon am Ende, mir muß das Ganze nicht immer wieder in Erinnerung gebracht werden. Wenn ich einen Cent für jede einzelne Opfer auf der Welt erhielte, wäre ich jetzt eine reiche Frau …“
Nichts als die Wahrheit versuchen die begabten Schauspieler, gleichzeitig Regisseure, Ausstatter, Textmonteure Yulia Izmaylova und Felix Strasser ans Tageslicht zu bringen.
„Wessen Wahrheit?“, habe ich mich gefragt, denn ich war es gewohnt, die wahre Wahrheit immer durch Versetzung in die Lage des Erzählers zu betrachten. Da die Interaktion mit dem Publikum einen Überraschungseffekt erzielte, hatte ich plötzlich in dem Stück mich persönlich wiedergefunden. Es ist vielleicht weither geholt, ein autoritäres System mit einem sowjetischen Gulag zu vergleichen, aber meine Vorkenntnisse haben mir erlaubt mich auf die künstlerische Seite zu konzentrieren und die mächtige Recherchenleistung zu bewundern. Meine Oma würde die Kriegsführung Stalins gegen den Klassenfeind auch nicht für gut heißen, deren Vorführung aber auch lieber missen.
Was zählt, ist ein gutes Theaterstück, das die Seele berührt.
Veranstaltungsort: Volxhaus in Klagenfurt, am 20. Nov. 2014